Muskelwachstum

Obwohl ich hier der Übersicht halber Muskel- und Fettwachstum getrennt darstelle, muss ich sagen, dass beides stark nach dem Entweder-oder-Prinzip verbunden ist, wie fast jeder an sich selbst feststellen kann.
Muskelwachstum beim landwirtschaftlichen Nutztier endet bei einer der schönsten Sachen der Welt, der täglichen genussvollen Mahlzeit. Deshalb ist es sehr wichtig und sollte uns interessieren.
Für den modernen Menschen ist das hohe Nahrungsenergieangebot, bei eingeschränktem Energieverbrauch, durch die genetisch bedingte Anlage von Fettreserven im Körper bekanntlich zum Gesundheitsrisiko geworden. Die Tierzüchtung der letzten Jahrzehnte hat daraufhin den Fettanteil im Tierkörper weitgehend zurückgedrängt und den Muskel- bzw. Proteinanteil stark erhöht. Dies lässt uns heute Fleischqualitätsmängel und Gesundheitsprobleme bei den Tieren feststellen, ohne sichtbaren Vorteil für die menschliche Ernährung.
Zunächst einige Bilder zum Schwein und anschließend zum Rind.


Diese fünf Schlachthälften demonstrieren die Veränderungen im Muskel- und Fettwachstum der Schweine sehr deutlich. Im Vergleich des rechten mit dem linken Anschnitt hat sich die Muskelmasse, hier das Kotelett, sehr stark vergrößert, während sich das subkutane Fettgewebe, der Speck, von ehemals 3 bis 4 cm Dicke stark verringert hat. Diese Veränderung ist das Ergebnis der etwa 50-jährigen züchterischen Selektion nach dem vom Verbraucher gewünschtem mageren Fleisch.
Nebenbei muss man sich allerdings fragen, ob diese rigorose Selektion beim Schwein eine Auswirkung auf die Ernährung und damit auf den Fettansatz des Menschen hatte. Mitnichten, sind doch 2006 nach einer OECD-Statistik 11% der Mädchen und 14% der Jungen im Alter von 15 Jahren fettleibig, was man auch sehr gut im Schwimmbad sehen kann.


In diesem Bild sehen wir, dass im Extremfall das Fettgewebe völlig verschwindet und der Muskel sehr blass und weich ist. Aus ihm tritt nach der Schlachtung Wasser aus, hier sehr deutlich am unteren Rand zu sehen. Dieses Fleisch wird als PSE-Fleisch (Pale, Soft, Exudative) bezeichnet. Das dieses Fleisch während des Transports und in der Pfanne schlechte Karten hat, ist unschwer zu erkennen. Wie so oft in der Tier- und Pflanzenzüchtung geht die Qualität in der Masse-Produktion unter. Als besonders fleischreich gilt die Rasse Pietrain, die als Vaterrasse für die Kreuzung benutzt wird.


Nichtsdestotrotz halten sich noch einige Rassen, wie z. B. die ungarischen Mangalitza-Schweine, auch als Wollschweine bezeichnet. Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie in ganz Europa wegen ihres dicken Specks geschätzt.


Vor allem in Entwicklungsländern, hier ein Bild vom Fleischmarkt in Süd-China, ist der dicke Speck eine wertvolle Energiequelle.


Bleibt noch zu erwähnen, dass sich die Schweine in Süd-China im ganzen Dorf bewegen und nach Herzenslust suhlen können...


...und auch die Toilette außerhalb des Dorfes aufsuchen.

RIND


Ein Bulle der Rasse Weiß-Blaue Belgier zeigt hier seine stark vergrößerte Keulenmuskulatur. Diese sogenannten "Doppellender" kommen auch bei anderen Fleischrassen vor. Bei den Doppellendern fanden wir im postnatalen Zeitraum keine größeren Muskelfasern, sondern die doppelte Anzahl (Journal Animal Science, 2000). Die große Muskelmasse wird durch eine Mutation im Myostatin-Gen erzeugt. Myostatin ist, wie der Name schon sagt, für die Begrenzung der Neubildung von Muskelfasern während des pränatalen Muskelwachstums zuständig.
Beim Vergleich mehrerer Rinderrassen mit den Doppellendern fanden wir im 3. Monat der Trächtigkeit noch keine Unterschiede in der Muskelmasse der Keule. Im 6. Monat war die Muskelmasse der Doppellender signifikant größer und mit 9. Monaten war sie verdoppelt (Asian Journal Animal Science, 2008). Da sie also bei der Geburt schon verdoppelt ist, wird hier auch das größte Problem der Doppellender deutlich. Sie haben eine hohe Schwergeburtenrate und die Kälber müssen mit Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden.


Am Keulenanschnitt sieht man deutlich, dass es keine Fettauflage gibt, dass sich zwischen den Muskeln kein Fett befindet und dass das für den Geschmack und die Zartheit notwendige intramuskuläre Fett ebenfalls nicht sichtbar ist. Die chemische Bestimmung ergab unter 1 % Fett. Trotzdem ist das Fleisch der Doppellender nicht zäh.


Grund dafür ist die hohe Anzahl Muskelfasern, die bereits vor der Geburt in den Bindegewebsbündeln gebildet wurde (linkes Bild). Da sich die Bündelstruktur prä- und postnatal nicht veränderte, ist der Anteil Bindegewebe im Muskel der Doppellender stark verringert. Im rechten Bild normales Muskelgewebe mit weniger Muskelfasern pro Bündel und mehr intramuskulärem Fett (Journal Animal Science, 2006).